Dennis Kelly, dessen »Taking care of Baby (Kindersorgen)« in der Kritikerumfrage zum besten ausländischen Stück des Jahres gekürt wird, setzt auf bewährte Mittel der angelsächsischen Theatertradition. In einer analytischen, aufklärenden Technik, die seinen Stücken immer etwas Kriminalistisches geben, lässt er seine – häufig ein wenig überspannten – Charaktere aufeinanderprallen und entwirft anhand von Einzelschicksalen ein Panorama der gegenwärtigen Gesellschaft. In »Taking care of Baby«, 2007 in Birmingham uraufgeführt und im Februar 2009 in der Inszenierung von Carlo Thum in Basel in deutschsprachiger Erstaufführung auf die Bühne gebracht, geht es um eine (vermeintliche) Kindsmörderin, also um ein seit der Antike (»Medea«) auf dem Theater präsentes Thema. Die junge, labile und verschüchterte Donna steht im Verdacht, eines ihrer Kinder oder vielleicht sogar beide umgebracht zu haben, wird aber freigesprochen. Davon profitiert ihre Mutter Lynn, die ein politisches Amt anstrebt und sich nach dem Freispruch zunutze machen möchte, dass ihre Tochter nicht als Verbrecherin, sondern als eine Frau erscheint, die schwere Schicksalsschläge meistert. Was sie bei ihrem Aufstieg nicht gebrauchen kann, ist ein Zerwürfnis mit der Tochter. Wie hier die Emanzipationsbestrebungen zweier Frauen miteinander verwoben und Privates und Öffentliches gegenübergestellt werden, beeindruckt viele Theaterkritiker. Die weiteren Figuren, ein sexsüchtiger, über den Fall berich-tender Reporter und ein umtriebiger Psychologe auf der Suche nach einem neuen »Syndrom«, erscheinen hingegen manchem zu plakativ gezeichnet. Eine ähnliche Kritik entzündet sich an Kellys »Liebe und Geld« in der Inszenierung von Stephan Kimmig am Hamburger Thalia Theater. Gerade weil sie so überzeichnet seien, weckten die Figuren in diesem in einen Mord mündenden Ehedrama kein Interesse.