Als angewandte Kunst lässt sich auch die Bemalung der beiden Minarette in der Centrum-Moschee im Hamburger Stadtteil St. Georg verstehen: Der evangelisch erzogene Künstler Boran Burchhardt, der seinen türkischen Vater kaum kennt, hat die beiden renovierungsbedürftigen Türme in einer spektakulären Aktion im August 2009 per Kran entfernen lassen, um sie mit Sechsecken in Grün und Weiß zu bemalen und einen Monat später ebenso spektakulär wieder an ihren Ort zu bringen. Der Imam des islamischen Gotteshauses, Ramazan Ucar, verweist darauf, dass das Sechseck eine lange Tradition in der islamischen Bildsprache habe und Grün die heilige Farbe des Propheten Mohammed sei. Burchhardt hat sich vorbehalten, die Türme zu Ausstellungszwecken jederzeit ausleihen zu dürfen.
Seitdem 1943 eine Statue des britischen Generals Charles Gordon ans Londoner Victoria Embankment umzog, ist einer der vier Denkmalssockel auf dem Trafalgar Square im Herzen der britischen Hauptstadt unbesetzt. Nach Marc Quinns, der die monumentale Marmorstatue »Allison Lapper schwanger« aufstellte, und Thomas Schütte, der ein gläsernes »Modell für ein Hotel« installierte, erhält nun der Bildhauer Anthony Gormley die Gelegenheit, auf dem Sockel sein temporäres Kunstprojekt »One and Other« zu verwirklichen. Bei diesem »lebenden Monument« stehen vom 6. Juli bis zum 14. Oktober – 100 Tage lang – insgesamt 2400 Bürgerinnen und Bürger jeweils eine Stunde lang auf dem Sockel. Ausgewählt wurden sie per Zufall aus 15 300 Bewerbern. Zwar finden die Sockelsteher meist nur die Aufmerksamkeit von Freunden und ein paar Touristen, doch Gormleys Aktion gilt gleichwohl als voller Erfolg: Er habe sein Ziel, »ein Bild Britanniens« zu schaffen, erreicht. Viele Teilnehmer stehen eine Stunde lang einfach herum, einige nutzen aber ihren Ruhm, um mit Transparenten oder per Megaphon ihr Anliegen öffentlich zu machen, sei es der Protest gegen die Wasserverschwendung oder die Erinnerung an die Katastrophe im Fußballstadion von Hillsborough 1989, als 96 Fans des FC Liverpool bei einer Massenpanik starben. Natürlich gibt es auch Exzentriker und Humoristen wie den Mann, der in der Tradition von René Magritte auf einer Schiefertafel verkündet: »Ich bin keine Taube.«