Verspielt – romantisch – eng

Mode 1972:

Das Modeangebot für 1972 ist so vielseitig, dass Modezeitschriften »Mode-Kursbücher« und »Steckbriefe« zusammenstellen. »Petra« charakterisiert die Mode folgend: »Zwischen Kitsch und Klassik, zwischen Mikro-Mini und Wade, zwischen duftig und luftig liegt ein breites Modefeld.« Dabei dominiert betont Jugendliches bis kindlich Verspieltes. Alles Weite, Lockere steht in einem schlechten Ruf: Jacken, Pullover, T-Shirts müssen den Oberkörper eng umspannen, Blousons sind nur taillenkurz und schließen in einem breiten Strickbund oder einem unterschiedlich gemusterten Bund ab. Nur Cabans bedecken die Hüften, sind aber körpernah geschnitten. Reißverschluss oder Knebelknöpfe sind modisch unübertroffen, ebenso Kapuzen und breite »Ohren«-Revers. Plüsch- und Teddybär-Jacken gibt es in allen Farben.

Zu den Jacken werden gleichermaßen Röcke wie Hosen kombiniert. Beide sind um die Hüften eng anliegend und zum Saum weit ausgestellt geschnitten. Die Saumlänge hat sich kurzfristig auf knieumspielend eingependelt.

Junge Mädchen fallen weiterhin durch Mikro-Mini auf, allerdings hat der Mini eine verspielte Glokkenform bekommen. Ebenso verspielt sind die dazu getragenen Wickelblüschen mit kurzen Flügelärmeln. Schlanken Mädchen passen Schürzen- und Chemisenkleider. Für die reife Frau werden Hemdblusenkleider angeboten.

Partykleider sind maxilang, das sommerliche Oberteil wie ein Bikini mit Spaghetti-Träger oder »holdernecks« geschnitten. Auffallend sind ihre großen grafischen Muster, die an Vasarely-Bilder erinnern, Pop-ArtMuster oder Hundertwasser-Motive. Im Widerspruch dazu stehen die romantischen Wasserwellen-Frisuren und die betont als Sternchen geschminkten Augen.

Das ergiebigste Thema der Saison sind Hosen: Hot pants, Bermudas, Caddy-, Kosaken- und Norwegerhosen, Slacks, Gaucho- und Haremshosen sowie Krempeljeans.

Großer Favorit sind die weit ausgestellten Hosen »mit Schlag«. Hot pants werden durch Schlitzröcke, die nur in Hüfthöhe zugeknöpft sind, tragbarer gemacht.

Während bei Sommerkleidern Blümchenmuster – von realistisch bis poppig – und Mustermix häufig zu sehen sind, werden bei Hosen Karos favorisiert.

Weniger passend präsentiert sich die Schuhmode, weisen doch Trotteur-, Spangen- und Knöchelriemenschuhe sowie Stiefel hohe Plateausohlen mit Absätzen auf. Die hochschaftigen Schnürstiefel sind aus Knautschlack und umspannen fest die Waden.

Zu den unverwechselbaren Accessoires zählen romantische Kunstblumen, die um Hals oder Fessel gebunden werden, sowie Pop-Schmuck und Anstecktiere. Beliebt sind romantische Häkelkappen, sportliche Baskenmützen oder flotte Schirmkappen.

Am Badestrand zeigen sich modemutige Teenager mit entsprechender Figur in Mini-Bikinis aus sonnendurchlässigem Suntex, während das Gros der Bikinis breite, geradegeschnittene Hosen aufweist. Die Männermode steht ganz im Einklang mit der weiblichen Modesilhouette. Knapp anliegende, stark auf Taille gearbeitete Sakkos lassen dem Träger wenig Bewegungsfreiheit. Die Hosen umspannen eng das Gesäß, so dass eine Hosentasche kaum mehr akzeptabel ist. Die Hosenbeine sind gleichmäßig weit oder zum Saum hin ausgestellt. Auffallen dürfen die großen Revers und poppig gemusterten Krawatten.

Die Jugend schwört auf blümchengemusterte oder bestickte Hemden mit Haifischkragen, die so knapp den Oberkörper umspannen, dass sie keine Falten bilden und die Knopffront aufspringt.

Auch der Herrenschuh nimmt die Plateausohle an, um mit der Frau an Größe mithalten zu können. Als Freizeitmode gibt es knappe, taillenkurze Ringelstrickpullover und ebenso enge Lederblousons. Die Frisur der Beatles lebt weiter, das Haar der Jugendlichen bedeckt die Ohren. Als Alternative bieten sich breite Koteletten.

Chroniknet