Autoboom hält weiter an

Verkehr 1980:

Trotz wachsender Schwierigkeiten und einem steigenden Problembewusstsein hält der Autoboom in der Bundesrepublik Deutschland 1980 ungebrochen an. Auf Benzinpreiserhöhungen und Parkplatznot reagieren die Konsumenten überwiegend durch die Anschaffung von Kompaktmodellen mit geringerem Kraftstoffverbrauch. Kaum einer verzichtet dagegen auf das eigene Auto und steigt auf öffentliche Verkehrsmittel um. Fast 23,2 Mio. Pkw rollen 1980 über bundesdeutsche Straßen, 650 000 mehr als im Vorjahr und gut 9 Mio. mehr als 1970. Dies bedeutet, dass von 1000 Haushalten 935 über einen Pkw verfügen, 1970 lag die Zahl bei 634. Hinzu kommen knapp 1,3 Mio. Lkw, etwa 40 000 mehr als 1979; 1970 lag der Lkw-Bestand noch bei 681000.

Angesichts der wachsenden Verkehrslawine propagiert die sozialliberale Koalition in Bonn das Konzept »Schiene statt Straße«. In der Realität wird diese Vorstellung allerdings nicht konsequent verfolgt. Der Bundesverkehrswegeplan 80, in dem für die Jahre 1981 bis 1990 Verkehrsinvestitionen in Höhe von 150 Mrd. DM veranschlagt werden, sieht 42,4% dieser Gelder für den Straßenbau vor. Für Investitionen der Bundesbahn sind dagegen nur 29,1% der Gesamtsumme eingeplant.

Als wichtigste Ziele der Verkehrsplanung für die zehn Jahre nennt der Verkehrswegeplan die »Erhaltung und Förderung der Mobilität für Bürger und Wirtschaft«, die »Vorhaltung angemessener Verkehrsstrukturen für die sich weiterentwickelnde Wirtschaft« sowie die »Sicherung der Freiheit der Wahl des Verkehrsmittels in einer kontrollierten Wettbewerbsordnung«.

Diese Vorgaben lassen für das verkehrspolitische Sorgenkind Bundesbahn weiterhin beträchtliche Probleme erwarten. Die Bahn hat zwar seit den 60er Jahren ihr Aufkommen im Personen- und Güterverkehr leicht steigern können. Ihre Bedeutung gegenüber anderen Verkehrsmitteln ist jedoch stark zurückgegangen. 1960 wurden noch 15,7% des Personen- und 44,2% des Güterverkehrs durch die Bundesbahn abgewickelt. 1980 sind es noch 6,5% bzw. 30,8%.

Dies wirkt sich verheerend auf die finanzielle Situation der Bundesbahn aus. Ihr Jahresdefizit beläuft sich 1980 auf annähernd 4 Mrd. DM; die Schulden des Staatsunternehmens liegen bei rund 32 Mrd. DM. Dies ist allerdings teilweise darauf zurückzuführen, dass die Bahn die Kosten für die Modernisierung und Instandhaltung des Schienennetzes selbst bezahlen muss während der Straßenbau aus Steuermitteln finanziert wird.

Zur Sanierung der Bahn werden immer wieder neue Konzepte entwickelt. Hauptanliegen ist es, unrentable Leistungen wie den Personenverkehr in ländlichen Gebieten so weit wie möglich abzubauen und die Kosten vor allem durch Personalabbau zu verringern. Bereits 1974 wurde bei der Bundesbahn ein Einstellungsstopp verhängt; die Zahl der Beschäftigten hat sich seither um 95 000 auf 326 000 verringert. Dies hat zur Folge, dass der Bahn 1980 rund 18 000 Mitarbeiter fehlen.

Allerdings kann die Bundesbahn 1980 auch Positives vermelden. Am 7. Juli wird der Rangierbahnhof Maschen südlich von Hamburg eingeweiht. Er stellt künftig die wichtigste Drehscheibe für den Nord-Süd-Güterverkehr dar.

Auch im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs gibt es eine wichtige Neuerung. Am 1. Januar nimmt der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), zu dem sich 20 Nahverkehrsbetriebe im größten Ballungsraum der Bundesrepublik zusammengeschlossen haben, seinen Betrieb auf. Im Einzugsbereich des VRR – er reicht von Wesel bis Unna und von Wuppertal bis Recklinghausen – leben rund 12 Mio. Menschen.

Einen weiteren Versuch, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu gestalten, startet die Stadt Essen. Hier wird vom 28. September an ein sog. Spurbus eingesetzt. Er fährt auf einer eigens eingerichteten Trasse, kann also nicht im Stau stecken bleiben.

Chroniknet